Sonntag, 16. September 2012

Das Loch schmeckt besonders gut


Eine Dortmunder Spezialität sind die Salzkuchen ! 

Belegt mit Käse oder Mett sind sie eine Köstlichkeit, insbesondere wenn man ein oder auch zwei Bier dazu trinkt. 

Warum es Salzkuchen nur in Dortmund gibt

Der Salzkuchen gilt als inoffizielles kulinarisches Wahrzeichen der Stadt Dortmund. Anders als Pfefferpotthast ist das kreisrunde Kümmelbrötchen aber - Achtung, Kalauer - in aller Munde, denn an Beliebtheit ist es dem Rindfleischeintopf um Längen voraus.



Das hört sich jetzt paradox an, nicht? Es lässt sich aber mit einem weiteren Dortmunder Phänomen erklären. Mitten in der Innenstadt liegt das westfälische Loch, in dem die Salzkuchen spurlos verschwinden. Hauptsächlich in den alteingesessenen Gasthäusern rund um den Alten Markt entmaterialisieren sich viele dieser Brötchen zusammen mit örtlichen Bierspezialitäten.
Es ist also verständlich, dass es die meist mit Mett, Schwartemagen oder Käse belegten Brötchen nicht über die Stadtgrenze hinaus zu größerer Prominenz geschafft haben. Salzkuchen sind eine original Dortmunder Spezialität!
Für den Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Otto Kentzler, sind sie sogar die Krönung eines gelungenen Wochenendes. Er rühmt das Gebäck mit den Worten: „Für mich geht nichts über Salzkuchen mit Mett auf dem Alten Markt.”

Fischer - die Wiege des Salzkuchens

Als alter Handwerker mag er dabei auch die Herstellung bedacht haben, denn sie ist seit 1848 nach wie vor reine Handarbeit. „Wir sind ein Handwerksbetrieb, keine Fabrik”, bestätigt Bäckermeister Heiner Fischer (37) von der traditionsreichen Bäckerei „Fischer am Rathaus”. Hier werden nicht nur viele der Dortmunder Salzkuchen gebacken, hier wurde das Gebäck einst auch erfunden.
In der langen Ahnenreihe der Fischers - Heiner Fischer ist Bäckermeister in der sechsten Generation - war es Johann Gottfried Fischer, der um 1848 auf die Idee kam, ein rundes Brötchen mit Kümmel und Salzhagen (grobem Salz) zu backen. Möglicherweise auch etwas später, aber das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Original-Rezepte im Bombenhagel verbrannt

Im Gegensatz zu der Geschichte des Pfefferpotthasts, die auf Agnes von der Vierbecke zurückgeht (das verruchte Weibsbild wollte im Jahr 1378 die Dortmunder Stadtwächter mit einem Fleischtopf bestechen und feindliche Soldaten in die Stadt schleusen) endet die Aktenlage im Fall Salzkuchen im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs. Am 6. Oktober 1944, beim vierten Großangriff auf Dortmund, wurde die Bäckerei der Fischers getroffen. Bilder, Rezepte, alte Unterlagen verbrannten und mit ihnen die kleine Geschichte des Salzkuchens.
Die Bäckerei wurde an anderer Stelle wieder aufgebaut, rund um den alten, neu aufgemauerten Königswinter-Ofen, 1959 zog sie um an ihren jetzigen Platz in der Nähe des Rathauses. Bis heute ist sie für die Dortmunder ein besonderer Ort, an dem aus einfachen Zutaten wie Mehl, Salz, Hefe, Sauerteig, Wasser und geschickten Händen jeden Tag köstliche Dinge entstehen: zig Sorten Brötchen und 30 bis 40 Brotsorten, dazu Gebäck und Kuchen in süßer Vielfalt.

Die Kunden stehen geduldig Schlange


Vor dem Geschäft stehen die Menschen geduldig in langer Reihe an, und das darf man in Zeiten industrieller Brot-Massenfertigung durchaus als großes Kompliment an traditionsbewusste Handwerksarbeit erachten. „Wir haben nie an Zutaten und guten Materialien gespart, mein Mann nicht und auch nicht mein Sohn”, sagt Senior-Chefin Christa Fischer.
Für die Herstellung der Salzkuchen nimmt Heiner Fischer einen lockeren Weizenteig, der wollig, also elastisch ist. Das Loch wird mit dem Daumen per Hand eingezogen, heute genauso wie zu Gottfried Fischers Zeiten. Die fertigen Teiglinge werden mit Schwaden (Wasserdampf) auf Steinplatte geschoben, damit sie in den 20 Minuten im Ofen schön rösch werden. „In den Gaststätten werden sie vor dem Servieren noch einmal kurz aufgebacken”, sagt Christa Fischer.

Das Loch schmeckt besonders gut



Für Heiner Fischer ist der Kümmelkringel zwar eine Dortmunder Spezialität, aber nur ein rundes Brötchen mit einem Loch in der Mitte, sagt er. Das Loch spielt aber eine wichtige Rolle, denn „es schmeckt besonders gut”. In der Tat wird die runde Vertiefung in einigen Gasthäusern mit Zwiebelwürfeln und Kressestielchen gefüllt, wenn der Salzkuchen mit Mett bestrichen wird.
Warum gerade der Salzkuchen eine Dortmunder Erfindung ist, darüber lässt sich trefflich spekulieren. „Die Menschen hier haben immer hart und viel gearbeitet und zum Bier etwas gegessen, das Durst bringt”, sagt Christa Fischer. Wusste Vorfahr Johann Gottfried es, dass er mit Kümmel und Salz einen großbürgerlichen Klassiker schuf? Am besten, man begibt sich vor Ort, in das westfälische Loch, und spürt bei ein oder zwei Bier dem Geheimnis des Salzkuchens nach.
Quelle: derwesten



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